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Mettnau-Stadion

Mettnau 1928  

Die „Mettnau-Kampfbahn“ (Mitte links) während der Bauzeit. Luftbild Paul Strähle 1928. Zeitgenössische Ansichtskarte. Sammlung Markus Wolter

 

Mettnaukampfbahn   Gauturnfest 1. U. 2. August 1931  Screenshot   Film Paul Moriell  

Gauturnfest 1931. Fotografie / Filmarchiv Moriell.

Am 1./2. August 1931 wurde anlässlich des 31. Hegau-Bodensee-Gauturnfestes die „Mettnau-Kampfbahn“ eröffnet. Das Stadion war zwischen 1927 und 1931 in einer ehemaligen Kiesgrube angelegt worden und sollte in den Folgejahren als Jugend- und Gausportwettkampfstätte auch zum Ort nationalsozialistischer Kundgebungen und Veranstaltungen der lokalen und regionalen NS-Organisationen werden:

 

Wahlkampfrede von Hitler im Mettnau-Stadion

Hitler Im Mettnau Stadion 1932  
Adolf Hitler im Mettnau-Stadion 1932. Fotografie: Kreisarchiv Konstanz, Z09/01.

29. Juli 1932: Kundgebung der NSDAP. Im Rahmen seiner deutschlandweiten Wahlkampfauftritte zur Reichstagswahl am 31. Juli 1932 sprach Adolf Hitler in der „Mettnau-Kampfbahn“ zu nächtlicher Stunde (23.00 Uhr) zu etwa 35.000 Zuhörern aus Radolfzell und der Region sowie aus der Schweiz. Radolfzell war nach Reutlingen und Freiburg die letzte Station von Hitlers Wahlkampftour an diesem Tag. Am Abend war er mit mehrstündiger Verspätung von Freiburg im Flugzeug nach Konstanz geflogen, von dort ging es mit einem PKW nach Radolfzell. Die organisatorischen Planungen lagen im Vorfeld bei NSDAP-Kreisleiter Eugen Speer, dem späteren, ersten NS-Bürgermeister von Radolfzell. Nach dessen Begrüßung sprachen der Züricher Architekt Theodor Fischer, Gründer der Nationalsoz. Eidgenössischen Arbeiterparteei (NSEAP) und der Münchner Stadtrat Hermann Esser, bevor Hitler mit seiner etwa 30-minütigen Hetzrede gegen die Demokratie in Deutschland begann. In der NS-Presse war von 50.000 Teilnehmern in Freiburg und von bis zu 60.000 Teilnehmern in Radolfzell die Rede.

„Ich habe die unbändige Absicht und den unbändigen Willen, diese fünfunddreißig Parteien aus Deutschland wirklich hinauszufegen und überlasse es einmal der Geschichte festzustellen, wer nationaler gehandelt hat, die, die unser Volk in fünfunddreißig Parteien zerrissen haben, oder die, die diese fünfunddreißig Parteien beseitigten und zu einer Volksbildung zusammenrissen.“1

Topografie des Terrors und Frohsinns

Die „Mettnau-Kampfbahn“ wurde zur Fastnacht 1939 zum Schauplatz einer bizarr anmutenden NS-Veranstaltung. Hintergrund: In den Hochburgen des Karnevals (Rheinland) und der Fastnacht (schwäbisch-alemannischer Raum) verstanden es die Nationalsozialisten, sich der Tradition des verordneten Frohsinns zu bemächtigen, indem sie die Karnevalsvereine und Narrenzünfte gleichschalteten und die Umzüge für ihre Sache instrumentalisierten und organisierten. In Radolfzell übernahm die stationierte SS diese Aufgabe. So lag die Durchführung der Radolfzeller Fastnachtsumzüge der Jahre 1938 und 1939 im Verein mit der willfährig mitwirkenden „Narrizella Ratoldi“ in der Hand der SS-„Germania“.

"Negerdorf" der SS im Mettnau Stadion

An der Fastnacht 1939 beteiligte sich das III./SS-„Germania“ (mot.) auch rassistisch-ideologisch: Als „Buschneger“ verkleidete und geschminkte SS-Angehörige des Bataillons zogen mit zu Motivwagen umgerüsteten Fahrzeugen des Fuhrparks von der SS-Kaserne zur Mettnau-Kampfbahn, wo sie ein „Negerdorf“ errichteten. Auch ein „langnasiger Jude“ - oder ist es der arische „Kolonialherr“ oder ein „Rassenkundler“? - hatte seinen „komischen“ Auftritt. Ein halbes Jahr vor Beginn des Überfalls auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs ließen die künftigen SS-Weltanschauungskämpfer noch einmal ihren fragwürdigen „Frohsinn“ walten.

Neu aufgefundene Fotografien dokumentieren diesen ebenso bizarren wie beklemmenden Aspekt der SS-Garnisonsstadt Radolfzell.

 
„Fasching der SS“: „Negerdorf“ in der Mettnau-Kampfbahn 1939. Aus einem Dienstzeit-Album eines Angehörigen des III./SS-VT „Germania“. Fotografien in unbekanntem Privatbesitz. Zuletzt Militaria-Auktionshaus Weitze, Hamburg, 2013.

Recherche und Text: Markus Wolter, 2015

Einzelnachweise

1 Die maschinelle Transkription der stenographischen Mitschrift der Rede (Bundesarchiv Berlin, NS 26/52) ist abgedruckt in: Lankheit, Klaus A. (Hg.): Hitler. Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. Band V, Teil 1: April 1932-September 1932, München 1996. S. 282-288.