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Naturfreundehaus Markelfingen

Naturfreundehaus Markelfingen  
Zeitgenössische Ansichtskarte, undatiert. Sammlung Markus Wolter.

Das Naturfreundehaus Markelfingen gehört zur 1974 eingegliederten Radolfzeller Gemeinde Markelfingen. Es ist seit 1926 im Besitz des badischen Landesverbands der Naturfreunde.

Der Singener Sozialdemokrat Heinrich Weber war von 1923 bis 1933 Vorsitzender der Singener Naturfreunde. Es ist seiner Initiative zu verdanken, dass die badischen Naturfreunde (Treuhänder: Heinrich Schlossmacher) im Jahr 1926 ein Grundstück mit 13.758 m² Fläche direkt am Bodensee ankauften und dort in den Jahren 1928-1930 das „Naturfreundhaus“ Markelfingen gebaut wurde.

Naturfreundehaus Markelfingen 1934   Naturfreundehaus Markelfingen 1934 2  
Das „Bodenseeheim“ des Touristenvereins 'Die Naturfreunde' in Markelfingen. Mit dem früheren Stempel-Signet des „T.V. Die Naturfreunde“ - Zeitgenössische Ansichtskarte, gelaufen 1934, d.h. bereits nach dem Verbot der Naturfreunde 1933. Sammlung Markus Wolter

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden die Naturfreunde, die ihre Wurzeln in der Arbeiterbewegung hatten, als „marxistische Organisation“ verboten. Ihr Eigentum wurde nach Maßgabe des „Gesetzes über die Einziehung staatsfeindlichen Vermögens“ eingezogen und fiel an den NS-Staat bzw. das jeweilige Land. Neuer Eigentümer des Naturfreundehauses Markelfingen und des Grundstückes am See wurde das Land Baden, verwaltet von einem „Treuhänder für das marxistische Vermögen“ in Karlsruhe. Die ehemaligen Mitglieder, nicht selten Gewerkschafter, Sozialdemokraten oder Kommunisten, wurden verfolgt, teilweise verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt.

Von den Singener Naturfreunden ist bekannt, dass sie sich auch nach dem Verbot von 1933 weiterhin fast jeden Sonntag zu Wanderungen trafen. Der bekannte Widerstandskämpfer Johann Georg Elser, der sieben Jahre in Konstanz gelebt hatte, zählte auch zu den Naturfreunden.1

Das ehemalige Naturfreundehaus Markelfingen wurde nach dem Verbot der Naturfreunde und dem Einzug ihres Vermögens vom „Reichsverband für Deutsche Jugendherbergen“, Landesverband Baden, von 1934 bis 1945 als Jugendherberge betrieben; in dieser Zeit fanden dort u.a. Schulungs- und Sommerlager des BDM bzw. der HJ statt.

Naturfreundehaus Markelfingen 1941  
„Jugendherberge Markelfingen“, zeitgenössische Ansichtskarte, gelaufen 1941. Sammlung Markus Wolter

Naturfreundehaus Markelfingen BDM   Naturfreundehaus Markelfingen BDM 2  

 

Naturfreundehaus Markelfingen BDM 3  
BDM-Mädelschar (vmtl. Untergau 114, Konstanz), N.N., BDM-Gauführerin im Stab der Reichsjugendführung, N.N., HJ-Bannführer(?) (Bann 114, Konstanz), N.N., Politischer Leiter (NSDAP), Parteigenossen (Gemeinderäte / NS-Bürgermeister Dominik Wieland(?)). Appell und politische Schulung in der Jugendherberge Markelfingen, Sommer 1943. Fotoarchiv Markus Wolter

Naturfreunde im KZ

Am 20. Juli 1944, nach dem Attentat auf Hitler, wurden die Singener Naturfreunde-Mitglieder Jakob Kahn, Max Porzig, Jakob Strauch, Karl Jäckle, Friedrich Vallendor und Heinrich Weber im Zuge der Aktion Gitter verhaftet und ins KZ Natzweiler-Struthof verschleppt, bevor sie schließlich nach Dachau bzw. ins KZ Mauthausen kamen.2 Fritz Vallendor, ermordet am 17. 10.1944 in Dachau, und Heinrich Weber überlebten das nicht. Heinrich Weber, der von Natzweiler zunächst ins Dachauer Außenlager Allach „verlegt“ worden war, wurde am 25. September 1944 im KZ Mauthausen ermordet.3

Für Heinrich Weber hat die Singener Stolperstein-Initiative in der Byk-Gulden-Str. 11 einen Stolperstein verlegt, für Friedrich Vallendor 2016 in der Ekkehardstr. 89.4

Zur Feier des 90-jährigen Bestehens des Naturfreundehauses Markelfingen im Jahr 2018 wurde auf dem Areal ein Heinrich-Weber-Mahnmal eingeweiht.5

Beschlagnahme- und Entschädigungsakten

Beschlagnahme durch die Nazis

Akten über die Beschlagnahme des Naturfreundehauses Markelfingen liegen im Bestand B 715/1 (Landratsamt Konstanz) des Staatsarchivs Freiburg.

  • Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens, hier: Naturfreundehaus in Markelfingen
    • Laufzeit: 1935-1938
    • Signatur: B 715/1 Nr. 5009

Entschädigungsverfahren

Im Bestand D 5/1 des Staatsarchivs Freiburg finden sich die Akten der Verfahren des Entschädigungsgerichts Freiburg, in denen um die Requisition von Haus und Grundstück und den von 1945 bis 1946 durch die franz. Besatzer verursachten Sachschaden verhandelt wurde.6 Die Verfahren zogen sich bis in die 1960er Jahre.

  • Touristenverein „Die Naturfreunde“, Karlsruhe wegen Requisition und Sachschaden 1945-1946 in Markelfingen
    • Laufzeit: 1949-1961
    • Signatur: D 5/1 Nr. 3914
  • Touristenverein „Die Naturfreunde“, Karlsruhe wegen Requisition und Sachschaden 1945-1946 in Markelfingen
    • Laufzeit: 1948-1957
    • Signatur: D 5/1 Nr. 3915
  • Touristenverein „Die Naturfreunde“, Karlsruhe wegen Requisition und Sachschaden 1945-1946 in Markelfingen
    • Laufzeit: 1948-1956
    • Signatur: D 5/1 Nr. 3916

Neubau des Haupthauses 2007/2008

Der markante Altbau aus den 1920er Jahren (siehe Fotos oben) wurde aufgrund seines schlechten baulichen Zustands 2007/2008 vollständig umgebaut und verlor sein vormaliges Aussehen.

Karte und Anfahrt



Das Naturfreundehaus liegt direkt am Bodensee, etwas ausserhalb von Markelfingen und ca. 3 km östlich von Radolfzell. Es ist bequem über die Radolfzeller Straße K 6170 zu erreichen.

2 Vgl. Gudrun Trautmann: Die Vertreibung der Singener aus dem Paradies in Markelfingen, Südkurier, 14. September 2015.
5 Vgl. Jennifer Moog: Die Naturfreunde feiern Jubiläum, Südkurier, 17. September 2018.